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2.3.1 Ensheim unter französischer Herrschaft (1792/93 - 1814/15)

Bereits seit der Flucht der Wadgasser Mönche (1792) bzw. des letzten Grafen von Nassau-Saarbrücken (1793) vor den französischen Revolutionstruppen stand die Ensheimer Bevölkerung ohne politische Herrschaft da. Es ist nicht überliefert, ob die Ensheimer - wie etwa die Heckendalheimer und andere Gemeinden der ehemaligen Reichsgrafen von der Leyen in Blieskastel - eine Petition an die französische Nationalversammlung mit der Bitte um Anschluss an die Französische Republik gerichtet haben, aber es wäre ein durchaus denkbarer Schritt gewesen. Die Ensheimer hatten nämlich die jahrhundertelangen Streitigkeiten und die daraus resultierenden Prozesse mit dem Kloster Wadgassen vor dem Reichskammergericht satt und freuten sich sicher, dass sie nun endlich von ihren Fronen und Lasten frei waren.

Bekanntlich strebte die französische Außenpolitik seit Ludwig XIV. ständig nach der Rheingrenze. Von daher war die französische Expansionspolitik im Rahmen der Revolutionskriege nur logisch. Es war klar, dass Frankreich die neu gewonnenen linksrheinischen Gebiete so schnell wie möglich in sein Staatsgebiet integrieren würde. Die Ensheimer konnten nur hoffen, dass die Ziele der französischen Revolution - liberté (Freiheit), égalité (Gleichheit), fraternité (Brüderlichkeit) - künftig auch für sie gelten.

Und der Einfluss der Franzosen wurde schnell sicht- und spürbar: seit 1794 war Ensheim wie der Rest der linksrheinischen Gebiete französisch besetzt. Nach dem Frieden von Campo Formio von 1797 (der den 1792 begonnenen Ersten Koalitionskrieg zwischen Frankreich und einer Koalition aus Österreich, Preußen und kleineren deutschen Staaten beendete) annektierte Frankreich die linksrheinischen Gebiete auch förmlich und führte zum 1. Januar 1798 sein eigenes Verwaltungssystems ein. Dazu zählte beispielsweise die Einteilung der Gebiete in vier neue Départements (Karte (1813)):

Das Saar-Departement war wesentlich umfangreicher als das heutige Bundesland Saarland. Dazu zählten die Arrondissements Prüm, Trier, Birkenfeld und Saarbrücken. (Karte um 1803)

Das Arrondissement Saarbrücken war in mehrere Kantone unterteilt: Blieskastel, Lebach, Merzig, Ottweiler, Saarbrücken, St. Arnual (auch St. Arneval), St. Wendel, Waldmohr.

Ensheim gehörte zum Kanton Blieskastel und hatte zunächst den Status einer einfachen Gemeinde mit einem Munizipalagenten und einem ihm beigeordneten Adjunkt an der Verwaltungsspitze. Die neuen Herren aus Frankreich bedienten sich bei den treuen Helfern der alten, jetzt geflohenen Herrscher: So wurde der letzte wadgassische Klostervogt der Propstei Ensheim, Franz Xaver BREUNIG, (der bereits 1792 für kurze Zeit von den Saarbrücker Grafen übernommen worden war) im Jahre 1796 als Bürgermeister und Notar in Ensheim eingesetzt. Adjunkt war damals der Weber Johannes HUTER (1762-1813) aus Ensheim. Zwei Jahre später werden als »agent municipal« Johann SCHWEITZER (1766-1822), Bauer aus Eschringen, und als Adjunkt Caspar MOHR (1864-1836), aus Eschringen gebürtig, aber in Ensheim wohnhaft, genannt. Im Jahr 1798 wurden die Gemeinden auch unmissverständlich aufgefordert, alle Zeichen, Wappen und Symbole, die an die alte(n) Herrschaft(en) erinnerten, zu entfernen.

Übrigens wirkte sich die neue Verwaltung auch in anderer Weise aus. Bisher wurden in Ensheim Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle im Katholischen Kirchenbuch der Pfarrgemeinde St. Peter festgehalten. Das wurde auch künftig so fortgeführt. Allerdings wurde jetzt - am 22.09.1798 - in allen Gemeinden sog. Zivilstandsregister eingeführt. Das bedeutete, dass ab sofort alle Standeseintragungen zuerst beim neu geschaffenen Standesamt eingetragen werden mussten: also Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle. Das Ensheimer Standesamt wurde, für Genealogen nicht uninteressant, von jetzt auf nachher für die ganze Umgebung zuständig: Ensheim, Eschringen, Reichenbrunn, Sengscheid, Oberwürzbach, Heckendalheim, Ommersheim, Assweiler und Rittersmühle. Für die Zivilstandseinträge musste - auch das eine wesentliche Neuerung - das Datum nach dem französischen Revolutionskalender eingetragen werden, was sicherlich zu Beginn für den Aktenführenden eine Riesenumstellung war. [Kostenlose Umrechnungssoftware]

1801 wurden diese annektierten Gebiete im Frieden von Lunéville (der den seit 1798 ausgefochtenen Zweiten Koalitionskrieg zwischen Frankreich und einer Koalition von Rußland, Österreich und Großbritannien beendete) offiziell an Frankreich abgetreten und damit die wesentlichen Bestimmungen des Friedensvertrages von Campo Formio bestätigt.

Im Rahmen einer Verwaltungsreform 1802 wurde Ensheim Sitz einer Mairie (Bürgermeisterei), also eines Gemeindeverbandes, zu dem mehrere Dörfer der Umgebung gehörten. Die Verwaltung dieses Verbandes unterstand einem von der Zentralregierung ernannten »Maire« (Bürgermeister), dem, wie schon vorher dem Munizipalagenten, ein Adjunkt als Stellvertreter beigeordnet war. Jede »Mairie« hatte einen Munizipalrat (Gemeinderat), der bei Gemeinden bis zu 2.500 Einwohnern zehn Mitglieder umfasste. Außer einer Liste mit dem Ergebnis der Gemeindewahlen vom 17. Messidor An XI (= 6. Juli 1803) haben sich verschiedene Wahllisten von Ensheimer Bürgern erhalten:

Ergebnis der Gemeindewahlen vom 17. Messidor 1803:


Zwei erhalten gebliebene Wahllisten aus dem Jahr 1803 sind nicht nur für Genealogen interessant:

Der vorgenannte BREUNIG hielt sich noch als Bürgermeister bis kurz nach dem Ende der Franzosenherrschaft 1815. Dann wurde er - der in Ensheim als »Günstling der Franzosen« galt - durch den zuvor in Blieskastel als Friedensrichter tätigen Franz Carl DERCUM ersetzt, der früh für die Angliederung der Pfalz an das Königreich Bayern votierte, mit anderen Worten schon beizeiten »sein Mäntelchen in den neuen Wind hing« und wohl deshalb auch nach dem Ende der Franzosenherrschaft weiter amtierte, nämlich bis 1819. Wie der Ensheimer Lokalhistoriker Remigius Wüstner in seinem Buch »Heimatgeschichte von Ensheim« (S. 369) vermerkt hat, soll DERCUM Eingliederungskommissar für den Anschluss des Saar-Departements an die Französische Republik gewesen sein. Diese Kommissare waren zwischen 1798 und 1802 tätig und bereiteten die Eingliederung der neuen Departements in den französischen Staat vor.


Was bedeutete nun die neue Herrschaft für die Ensheimer?

Einerseits profitierten sie von der Abschaffung des Lehnswesens, von den neuen Grundfreiheiten und hatten ansatzweise eine kommunale Selbstverwaltung. Auch konnten sie sich eine Zeitlang als Besitzes des ehemaligen Klosterwaldes fühlen, um den die Ensheimer über Jahrzehnte mit dem Kloster Wadgassen im »Großen Waldprozeß« (1731-1818) gerungen hatten. Außerdem sorgte die französische Verwaltung für die genaue Vermessung des Gemeinde- und Privatbesitzes und somit für klare Besitzverhältnisse. Andererseits wurden nun allgemeine Steuern erhoben, die Amtssprache war jetzt Französisch,die Gemeinde musste Quartiere für die durchziehenden napoleonischen Heere und Soldaten für dieselben stellen. Eine Liste der Ensheimer Teilnehmer an der Musterung des Jahres 1811 hat sich erhalten und gibt Auskunft über zwölf junge Männer des Geburtsjahrgangs 1791.

Die Befreiungskriege und das Ende der napoleonischen Herrschaft

Das napoleonische Reich hatte seine größte Ausdehnung um 1812 - vor dem entscheidenden Krieg gegen das zaristische Russland. Man muss sich das heute mal bildlich vorstellen: Sogar Hamburg war damals französisch! Napoléon hatte binnen weniger Jahre ein Großreich auf die Füße gestellt. Und Ensheim war ein ganz kleiner Teil davon...  ;-)

Ensheim (= E.) im Saar-Departement 1812

Wie bereits erwähnt, genossen die Ensheimer jetzt die Errungenschaften der Französischen Revolution ebenso wie die Franzosen (zum Beispiel die fundamentalen Rechtsgrundsätze des Code Napoléon), mußten aber auch deren Pflichten teilen. Dies bedeutete zum Beispiel für die jungen Männer die Konskription. Wer einen Ersatzmann zu stellen vermochte, konnte sich vom Wehrdienst freikaufen. Dies gelang aber sicherlich nur den allerwenigsten Konskribierten aus Ensheim. So kämpften junge Ensheimer, wie die Ortschronik berichtet, unter Napoleon "in Spanien, Österreich, Preußen und auf den Schlachtfeldern in Rußland. Dem Untergang der 'Grande Armée' auf den Schnee-und Eisfeldern entgingen die meisten, aber viele sind nicht mehr zurückgekehrt."

In den sog. Befreiungskriegen 1813-15 war Ensheim gleich mehrfach Ziel militärischer Einquartierungen preußischer, bayrischer und russischer Truppen, die jetzt gegen den vor Moskau geschlagenen Napoleon kämpften. Vor allem die russischen Truppen hinterließen einen nachhaltigen Eindruck bei der Ensheimer Bevölkerung, wie ein von dem in Ensheim geborenen Pfarrer Peter Bläs hinterlassenes Gedicht "Die Russen in Ensheim 1813" belegt. 

An dieser Stelle sei noch auf den doppelten Verrat Bayerns hingewiesen: 1805 schloss Bayern ein Bündnis mit Napoléon, das sich indirekt gegen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation richtete - und wurde für diesen ersten Verrat (diesmal an »Deutschland«) vom Kaiser der Franzosen fürstlich, nein, königlich belohnt: Bayern wird Königreich von Napoleons Gnaden und konnte sein Staatsgebiet umfangreich erweitern, u. a. durch Tirol und Vorarlberg, das das 1805 in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz besiegte Österreich abtreten musste. Nach der verheerenden Niederlage der »Grande Armée« in Russland 1812 wechselte der bayerische König erneut die Seiten und beging nunmehr einen zweiten Verrat (diesmal an seinem Bündnispartner Frankreich). Es wollte offensichtlich nicht mit dem französischen Kaiser untergehen, sondern seine neu gewonnene Machtstellung in Deutschland möglichst für die Zukunft sichern.

Im Ersten Pariser Frieden vom Mai 1814 durfte das von den Koalitionsmächten geschlagene Frankreich Saarbrücken, St. Johann und 44 Dörfer im Umland behalten. Nach der zunächst triumphalen Rückkehr Napoleons aus seinem Exil auf Elba (März 1815) und der verlorenen Schlacht von Waterloo (Juni 1815) wurde im November 1815 der Zweite Pariser Frieden geschlossen, wo Frankreich Saarbrücken und Umgebung wieder an "Deutschland" zurückgeben mußte. Schon im Juni 1815 wurde in der Wiener Kongreßakte festgeschrieben, daß das linksrheinische Gebiet unter Preußen und Österreich aufgeteilt wird: Preußen erhält den größeren westlichen Teil mit Saarbrücken, Österreich erhält den kleineren östlichen Teil, darunter als westlichsten Außenposten auch Ensheim und Eschringen. Allerdings hatten die Österreicher wohl nie vor, die Pfalz für sich in Besitz zu nehmen, sondern sie brauchten das Gebiet als Tauschmasse für einen Deal mit den Bayern. Die Bayern hatten ihnen 1805, Napoleon sei Dank, wichtige Teile ihres Staatsgebietes entreißen können; genau die wollten die Österreich jetzt wieder zurück haben. Also machten sie auf dem Wiener Kongreß und hinter den Kulissen mächtig Druck gegen den bayerischen König, so dass dieser 1815 in den saueren Apfel beißen und die österreichischen Gebietsrückforderungen erfüllen musste.

Die nebenstehende Karte des französischen Kartographen und Geographen Edmond Demangeon (ca. 1890) zeigt den Grenzverlauf nach dem Ersten (blaue Linie) und Zweiten (rote Linie) Pariser Frieden.

Download-Tipp:

TIP: Wenn Sie einen Blick auf die gesamte Saargegend in dieser Zeit werfen wollen, können Sie sich hier eine gezippte Fassung der entsprechenden Karte downladen. ( 240 KB)


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Last update: 17.10.2015            © Paul Glass 1997 ff