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2.6 Das politisch-kulturelle Leben in Ensheim im Überblick


2.6.3 Übersicht über die Ensheimer Ehrenbürger (1900 - 1974): 

Prof. Dr. Oskar Orth


Prof. Dr. Oskar Orth (* 15.06.1876 Ensheim, + 10.08.1958 Ensheim) studierte nach dem Abitur 1896 in Neustadt an der Weinstraße Medizin in München, Berlin und Heidelberg. Nach seiner Promotion 1901 wurde er 1905 der Nachfolger von Dr. Dederichs als Leiter des Werkskrankenhauses der Firma Gebr. Adt in Ensheim. Die Funktion hatte er bis 1912 inne. 

Zwischen 1912 und 1919 übernahm er die Leitung des Adtschen Krankenhauses in Forbach. Nach dem Ersten Weltkrieg und der deutschen Niederlage musste er genauso wie die Chefs des Forbacher Zweigwerkes der  Firma Adt Forbach verlassen. 

Dr. Orth nutzte die neue Situation, um sich in Wien weiterzubilden. Danach war er für kurze Zeit in Heidelberg und Halle tätig, bevor er im Jahre 1920 die Leitung des Städtischen Krankenhauses in Landau (Pfalz) übernahm.

Im August 1922 wurde er Leitender Direktor des Landeskrankenhauses in Homburg (Saar), das gerade gegründet worden war. Diese herausragende Position behielt er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1947 bei. Seinen Ruhestand verbrachte er wieder in seinem Geburtsort Ensheim.

Aufgrund seiner Verdienste für die Gemeinde Ensheim und ihre Bevölkerung wurden Herrn Prof. Dr. Orth am 19. Mai 1930 die Ehrenbürgerrechte der Gemeinde verliehen. Die Ehrung fand allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 statt. Zwei Jahre später wurde die Spitalstraße, die zu seiner früheren Wirkungsstätte, dem Peter-Franz-Otto-Krankenhaus, führte,  nach ihm benannt.


Seine Ernennung zum ersten Ehrenbürger von Ensheim im Jahr 1930 und die Benennung einer Straße in Ensheim im Jahr 1948 ist mittlerweile [Stand März 2001]  höchst umstritten, weil Prof. Dr. Orth während der Nazi-Diktatur [speziell zwischen 1935 und 1939] als Direktor des Landeskrankenhauses Homburg für eine offenbar reibungslose Umsetzung des [auf der nationalsozialistischen Ideologie des Rassismus und des Sozialdarwinismus beruhenden] Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 gesorgt hat: 

So hat er als leitender Chefarzt nachweislich mehr als 1.400 Operationsprotokolle wegen Zwangssterilisationen  unterschrieben und damit die Verantwortung für diese Eingriffe übernommen. Der Wissenschaftsausschuss des saarländischen Landtages hatte sich 1994 mit der Causa Orth beschäftigt und bei der Durchsicht des Operationsbuches der Chirurgischen Abteilung des Landeskrankenhauses Homburg anhand einer Stichprobe von 46 OP-Protokollen festgestellt, dass der früher hochgeschätzte Mediziner auch mindestens eine Zwangssterilisation selbst durchgeführt hat. Vermutlich liegt aber deren Zahl angesichts der hohen Zahl von Operationen weitaus höher.

Übersicht über den mehrdimensionalen Konflikt um Prof. Dr. Orth

Den Stein ins Rollen brachte eine Untersuchung des Homburger Historikers und Journalisten Christoph BRAß, der den obigen Fall in seiner Magisterarbeit mit dem Thema "Zwangssterilisation im Saarland während des Dritten Reiches" bereits im Jahr 1992 dokumentiert hat.

In Homburg hat man aufgrund der eindeutigen Beweise für die Gesamtverantwortung von Prof. Dr. Orth für die Durchführung der großen Zahl von Zwangssterilisationen im LKH zwischen 1935 und 1939 reagiert:

In Ensheim ist die Ehrenbürgerschaft von Prof. Dr. Orth ist nicht mehr Gegenstand des gegenwärtigen Streites; sie ist mit seinem Tode im Jahr 1958 erloschen. Strittig ist die Frage, ob die nach ihm benannte Oskar-Orth-Straße [die frühere Spitalstraße] wieder umbenannt werden soll. Die Stadt Saarbrücken hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Prof. Dr. Orth im Oktober 2000 den für eine Umbenennung zuständigen Bezirksrat Halberg aufgefordert. Das Ergebnis ließ lange auf sich warten: Erst am 7. März 2001 hat der Bezirksrat Halberg mit den Stimmen der CDU, der FDP und eines fraktionslosen Mitgliedes entschieden, die Oskar-Orth-Straße in Ensheim nicht umzubenennen. Für eine Umbenennung votierten die Vertreter von SPD und Bündnis 90 / Grüne.

Der Versuch der SPD-Bezirksratsfraktion, eine Revision dieses Beschlusses durchzusetzen, scheiterte in der Bezirksratssitzung am 9. Mai 2001 am gleichbleibenden Widerstand der CDU.

Die in dieser Sache sehr engagierte Saarbrücker Zeitung griff das Thema Mitte Mai 2001 erneut auf und legte erstmals Auszüge aus der von Prof. Dr. Orth betreuten Doktorarbeit von Karl Strouvelle vor (Fakten, die allerdings schon 1992 in der Magisterarbeit von Christoph Braß berücksichtigt worden waren). Diese Veröffentlichung und parteitaktische Zwänge wegen der mit den Grünen angestrebten Koalition im Saarbrücker Stadtrat führten zu einem überraschenden Umdenken innerhalb der CDU Ende Mai 2001: nach einer "Empfehlung" des Vorsitzenden der CDU-Stadtratsfraktion, Gerd Bauer, an die CDU-Mitglieder des Bezirksrates Halberg, und einer Intervention des saarländischen Finanzministers Peter Jacobi, nun doch auf die Bezeichnung Oskar-Orth-Straße zu verzichten, wurde die Umbenennung der Oskar-Orth-Straße am 8. August 2001 erneut auf die Tagesordnung des Bezirksrates Halberg gesetzt. Jetzt brachte die Abstimmung ein anderes Ergebnis: Bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen beschloss der Bezirksrat die Umbenennung in Spitalstraße, wie die Straße schon zuvor geheißen hatte. Die Sitzung endete trotz dieser Entscheidung mit einem Eklat: mit einer persönlichen Erklärung wies die Bezirksbürgermeisterin Annette Hübinger nach, dass der SPD-Stadtratsfraktion bereits 1997 bekannt war, dass es in Ensheim eine Oskar-Orth-Straße gibt, sie aber nichts unternommen habe, um die Straße bereits damals umzubenennen - wie sie meint, aus parteitaktischen Kalkül heraus. 

Als wenig später bekannt wurde, dass es im Bezirk Halberg schon eine Spitalstraße gibt, erfolgte noch im August 2001 eine neuerliche Umbenennung in Alte Spital Straße.

Der Streit um die Umbenennung wurde außer im Bezirksrat Halberg und in Ensheim selbst vor allem in den Leserbriefspalten  der Saarbrücker Zeitung ausgetragen. 

Lesen Sie dazu auch die Stellungnahme der Bezirksbürgermeisterin Annette Hübinger (CDU), vorgetragen bei der entscheidenden Bezirksratssitzung am 07.03.2001 in der Sport- und Kulturhalle Ensheim, und die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung sowie weitere Publikationen.


Quellen: 


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Last update: 04.09.2001