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»Hitlers langer Schatten«


"Hitlers langer Schatten" - So hieß eine zeitgeschichtliche Serie, die das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL  im Frühjahr und Frühsommer 2001 veröffentlichte, um seinen Leserinnen und Lesern zu verinnerlichen, wie sehr uns Hitlers langer Schatten auch mehr als 50 Jahre danach noch verfolgt.

Auch die Ensheimer Bevölkerung bekommt zur Zeit [Stand: Juni 2001] einen Eindruck, was DER SPIEGEL meint: Auch Jahrzehnte nach Hitlers Diktatur ist der "große Diktator" (Chaplin) noch immer allgegenwärtig - in Ensheim, weil es hier seit Monaten darum gestritten wird, ob die  Oskar-Orth-Straße umbenannt werden soll oder nicht. Diese Straße ist nach dem Ensheimer Ehrenbürger Prof. Dr. Oskar Orth benannt, dem in der Zwischenzeit die Verantwortung an der Durchführung von über 1.400 Zwangssterilisationen am Landeskrankenhaus Homburg zwischen 1935 und 1939 nachgewiesen werden konnte.

Viele Ensheimer wollen nicht wahrhaben, dass ihr Ehrenbürger, dieser langjährige honorige Mitbürger, auch eine dunkle Seite in seiner Vita hatte. Doch nicht nur das: Sie sehen auch nicht die Notwendigkeit, an das Leid der damaligen Opfer zu denken, die, so sie noch leben, heute noch schwer an den damaligen Eingriffen zu leiden haben.

Das Problem, nicht nur in Ensheim: Nach dem Krieg wurde verschwiegen, vertuscht, unter den Teppich gekehrt, was man nur konnte. Die zehn Jahre Nazi-Herrschaft waren tabu. Leider haben es die "Großen", die damals politisch Verantwortlichen, den "Kleinen" vorgemacht: viele, viele Nazis, Unterstützer und Mitläufer der Nazibewegung kamen recht bald wieder in Amt und Würden, zu Posten und Einfluss. Die in Potsdam 1945 großspurig angekündigte Entnazifizierung ist, zumindest in den drei Westzonen, gründlich misslungen. Die meisten Täter und Mittäter haben oft ohne Zutun von dem neuen gemeinsamen Gegner profitiert, der sich im seit 1947 entstehenden Kalten Krieg herausgebildet hatte: die Sowjetunion. Im Kampf  gegen die Sowjetunion und gegen den Stalinismus bzw. Kommunismus glaubten die westlichen Alliierten, sich der Hilfe der ehemaligen Nazis bedienen zu müssen - und hatten kein Interesse mehr an deren Entnazifizierung geschweige an deren Bestrafung.

Auf diese Weise wurden die zehn Jahre Nazizeit auch in Ensheim nie aufgearbeitet - was sich jetzt rächt. Noch heute rührt man an Tabus, wenn man die zehn Jahre unter Hitler einer näheren Betrachtung unterzieht; noch heute erntet man böse Blicke, wenn man sich kritisch über diese Zeit und über die Verstrickung bestimmter Ensheimer Mitbürger äußert; noch heute trifft man Leute, die sich offenbar ganz gerne an "Adolf" erinnern, wie sie Hitler noch immer fast liebevoll nennen. Doch nicht nur das: Auch heute noch wünschen sich manche Ensheimer manchmal einen "kleinen Hitler" herbei, wenn sie mit ihrer individuellen Situation oder der allgemeinen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Lage nicht zufrieden sind oder nicht klar kommen. Ist ihnen eigentlich bewusst, welchen Ungeist sie hier herbeibeschwören?

Klar - irgendwann erledigt sich das Problem derer, die in irgendeiner Form "mitgemacht" haben. In wenigen Jahren sind keine Altnazis, keine Unterstützer und auch keine Mitläufer mehr am Leben. Doch Entwarnung ist leider nicht angesagt: Jahr für Jahr wachsen genügend Ewig-Gestrige nach, überall, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Ensheim. Diesen Neonazis und ihren hohlen Phrasen Paroli zu bieten - das muss die Aufgabe jedes aufrechten Demokraten sein!


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Letztes Update: 22.06.2001                 © Paul Glass 1997 - 2001 ff